M0 die neue Fahrzeugklasse

29. November 2024 I Von Julia Lange

M0 – welches Potential bietet eine neue Fahrzeugklasse der Kleinfahrzeuge?

Die Vielfalt der innovativen Fahrzeugkonzepte im Leichtfahrzeugbereich ist enorm und wächst ständig. Es gilt Fahrzeuge zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren. Zusätzlich haben wir die Verantwortung Umweltbelastungen und Risiken durch den immer stärker wachsenden Verkehr zu minimieren. Das Auto ist dabei (leider) immer noch der Deutschen liebstes Kind. Es ist bequem, schützt vor Regen und Wind und eignet sich zum Transport von Einkäufen und weiteren Personen – sprich: es ist praktisch. Für die Wahl des Transportmittels sind aber auch Sicherheit, Strecke, Flexibilität und Kosten entscheidend. Je genauer wir das Verkehrsmittel an die persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten anpassen können, desto nachhaltiger können wir uns bewegen.


Doch wie sieht der Bedarf eigentlich aus? Der größte Teil aller Fahrten findet mit ein bis zwei Personen und wenig Gepäck statt, z. B. für die Fahrten zur Arbeit. Für diesen Alltagsbetrieb ist ein normaler Pkw in der Regel deutlich überdimensioniert. Ein Kleinwagen würde als schicker Flitzer durchaus ausreichen. Auch Interessierte der E-Mobilität verlangen nach neuen kleineren Fahrzeugkonzepten. Dabei ist dem einen ein Microcar für zwei Personen zu klein, dem anderen ein Kleinwagen zu groß, denn die Maße eines Minis sind längst nicht mehr so klein, wie sie früher einmal waren.


Zudem sind bei Leichtfahrzeugen der Klasse L6e/L7e aufgrund gesetzlicher Einschränkungen in Gewicht und Breite oft nur ein geringes Sicherheitsniveau realisierbar.

Warum reichen die bisherigen Fahrzeugklassen nicht mehr aus?

Tatsächlich sind die Begriffe der unterschiedlichen kleinen Fahrzeuge nicht einheitlich standardisiert. Im europäischen Zulassungsrecht unterscheidet man zwischen Leichtfahrzeugen (L), PKW (M) und Nutzfahrzeugen (N). Innerhalb der PKW definiert das Kraftfahrtbundesamt das „Mini-Segment“ als die kleinste Gruppe (VW Up!, Smart Fourtwo, Fiat 500), während die Europäische Kommission dieses Segment Kleinstwagen nennt – und in beiden Fällen die PKW-Klasse M1 adressiert. M1-PKW wiegen in der Regel weit mehr als eine Tonne, mit E-Antrieb noch einmal deutlich mehr. Damit wird die Lücke zur aktuellen kleineren Alternative der PKW-ähnlichen Leichtfahrzeuge (Klasse L7e) – wie beispielsweise der Renault Twizy – größer. Und hier bietet sich nun eine Chance eine neue Mobilitätsklasse zu etablieren: M0.


Die M0-Klasse wird vorwiegend der städtische und Kurzstreckenverkehr eingesetzt. Damit gehen geringere Leistungs- und Reichweitenanforderungen einher, so dass leichtere und kostengünstigere Batterien verbaut werden können. Die Abmessungen sind kompakter und geringer gegenüber einem Kleinwagen, was zu einem erheblich geringeren Platzbedarf auch bei der Nutzung von Parkflächen führt. Anderseits besteht die Möglichkeit zusätzliche Sicherheitssysteme und Aufprallschutzkomponenten zu verbauen. Dadurch gewinnt das Auto ein hohes Maß an Sicherheit.


Ein zusätzlicher Raumgewinn im Innenraum erlaubt den Einbau einer zusätzlichen Sitzbank für weitere Insassen oder den Transport von Einkäufen.


Seit neuestem erweitern einige Hersteller ihr Angebot und bieten Leichtfahrzeuge mit mehr Innenraumfläche an. Wir stellen zwei Modelle vor:


Bildquelle: ARI Motors

ARI Motors bringt den „Bruni“ auf Deutschlands Straßen

Das sächsische Unternehmen aus Borna hat mit dem Ari 902 und dem Soleno bereits zwei Modelle der Klasse L7e im Angebot. Jetzt kommt der Bruni als drittes Modell dazu. Dieser bietet nun als erster Viersitzer Platz für mehrere Insassen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h und einem kombinierten Verbrauch von 9,9 kWh ist er nicht nur klimafreundlich, sondern auch äußerst kosteneffizient unterwegs.


Die kompakten Maße – 3,07 Meter Länge und nur 1,49 Meter Breite – machen ihn zum perfekten Begleiter im Stadtverkehr, wenn’s mal wieder eng wird. Jedoch muss sich der Nutzer zwischen einer zusätzlichen Sitzbank oder einem Kofferraum entscheiden. Um zusätzlichen Stauraum zu erhalten, muss mindestens eine der Rücksitzlehnen umgeklappt werden.


Der Preis startet ab 19.030,- €. Für 20.220,- € gibt es die Variante Cargo, bei der statt der Rücksitze ein Holzboden inklusive Verzurrösen und Trenngitter verbaut ist. Für 21.400,- € gibt es die Variante Comfort mit zusätzlicher Servolenkung, einer Klimaanlage sowie Nebelscheinwerfen. Dazu kommt auch ein Assistenzpaket inklusive Verkehrszeichenerkennung, Spurassistent und Abstandswarner von Mobileye – ein Plus an Sicherheit.


Wer genau hinschaut erkennt, dass es sich bei dem Modell um ein Wuling Mini EV aus China handelt. Dort gehört er schon seit Jahren zu den meistverkauften Fahrzeugen. Zwischen 2020 und 2023 wurde er mehr als 1,2 Mio. mal verkauft. Als Pkw hat es der Mini EV aufgrund der Regulation bisher nicht nach Europa geschafft – dafür jetzt nach den L7e-Bestimmungen, nach dem Motto: „Was nicht passt wird passend gemacht.“

Bildquelle: Softcar

Das Softcar aus der Schweiz: noch L7e oder schon M0?

Die Schweizer Firma Softcar hat Mitte Oktober auf dem Pariser Autosalon dem europäischen Markt ein Elektroauto der Leichtbauklasse L7e mit vier Sitzen vorgestellt. Das Softcar setzt auf nachhaltige Materialien und eine vergleichsweise geringe Anzahl von Bauteilen. Die Karosserie besteht aus kohlenstoffarmen Verbundpolymeren, was nicht nur das Gewicht reduziert, sondern die Bauteile auch leichter austauschbar und recycelbar macht. Dank seiner modularen Bauweise werde auch Versionen als Zweisitzer, Cabriolet und Kleintransporter angeboten.


Angetrieben wird das Kleinstelektrofahrzeug durch einen Elektromotor mit einer Dauerleistung von 15 kW (20 PS) und eine Spitzenleistung von 30 kW (41 PS). Mit einem Gewicht von lediglich 630 kg erreicht das Softcar eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 90 km/h. Der Energieverbrauch ist mit etwa 8 kWh auf 100 Kilometer sehr gering. Die verbaute Batterie mit einer Kapazität von 15 kWh ermöglicht eine Reichweite von fast 200 Kilometern. 


Das Softcar befindet sich nach Angaben des Herstellers in der Homologationsphase und soll die (geringen) Sicherheitsanforderungen der Klasse L7 erfüllen. In einer Mikrofabrik in der Schweiz will das Unternehmen ab 2025 die ersten Serienfahrzeuge produzieren, die dann Ende des Jahres zu einem Preis ab 23.000 € auf den Markt kommen sollen. Aber schon jetzt ist das Softcar über den Hersteller in der Schweiz vorbestellbar.


Die neuen Modelle stärken den Trend zum Kleinstwagen und elektrischen Leichtmobil, welches den Anforderungen und Wünschen der Kunden entspricht. Den Lückenschluss könnte hier tatsächlich eine neue Mobilitätsklasse M0 ermöglichen, um den Herstellern mehr Gestaltungsfreiheit zu geben und so den Fahrerinnen und Fahrern einen echten und bezahlbaren Mehrwert im Kleinstwagensegment zu bieten.



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