Foto: Ulrich Pucknat / RLVD
Am 18. September 2024 fand die 5. Nationale Radlogistik-Konferenz, veranstaltet von der cargobike.jetzt GmbH und unter der Schirmherrschaft des Radlogistikverbands Deutschland e.V., auf der IAA TRANSPORTATION in Hannover statt.
Die Konferenz wurde mit Grußworten von Jürgen Mindel, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Andreas Marquardt, Radverkehrsbeauftragter des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sowie Anja Ritschel, Wirtschafts- und Umweltdezernentin der Landeshauptstadt Hannover eröffnet. Anja Ritschel erklärte: „Es freut mich sehr, dass die 5. Radlogistik-Konferenz im Rahmen der IAA TRANSPORTATION in Hannover stattfindet. Die Radlogistik ist eine Schlüsselkomponente für nachhaltige Mobilität. Durch die Förderung des Radverkehrs als effiziente und umweltfreundliche Transportlösung tragen wir nicht nur zur Reduzierung von Emissionen bei, sondern fördern die Lebensqualität in Städten und schaffen leistungsstarke Logistiklösungen. Die Integration von Radlogistik in die urbanen Verkehrssysteme ist ein wichtiger Schritt hin zu einer grünen und zukunftsorientierten Mobilität“.
Ein starkes Statement, das zugleich das Ziel unterstrich, die diesjährige Ausgabe der Konferenz nicht nur an die Radlogistikbranche zu richten, sondern damit auch an andere Sektoren und Akteure, die von der Radlogistik profitieren und gleichzeitig zu ihrer Weiterentwicklung und ihrem Wachstum beitragen können, zu richten.
In diesem Zusammenhang war auch LEVi zur Podiumsdiskussion zum Thema „Innovationen in der Radlogistik“ geladen. Nach den Kurzvorträgen von Christiane Behrisch (Koordinatorin Wirtschaftsverkehr im Mobilitätsreferat der Stadt München), Helge Neubauer (Zemmi), Beres Seelbach (Onomotion) und einer spritzigen Keynote von Martin Schmidt (Cycle Logistics CL), der die Diskussion zugleich moderierte und mit der pikanten Frage die Runde eröffnete: „Glaubt ihr, dass wir den Verkehr bis 2030 klimaneutral gestalten werden?“
Während die meisten Diskutanten mit zögerlichen, Wenn-Dann-Möglichkeiten ein Gelingen herbeisonnen, kam ich nicht umhin, diese Frage mit einem klaren NEIN zu beantworten. Der aktuell eingeschlagene verkehrspolitische Weg und die Aussichten in Hinblick auf den Ausgang der Bundestagswahlen in 2025, lassen leider keinen anderen Schluss zu. Da gibt es nichts zu beschönigen. Es wird einfach zu wenig für eine wirkliche Transformation getan, in die falsche Richtung gefördert und die Bevölkerung zu wenig informiert und inhaltlich mitgenommen.
Aber darauf möchte ich jetzt nicht weiter eingehen, denn eigentlich war die an mich gerichtete Frage eine andere, und die Beantwortung blieb ich den Teilnehmern schuldig. Martin Schmidt zitierte aus meiner Kurzvita, "Dass das Gelingen der Verkehrswende nicht nur von schlüssigen Konzepten, sondern vielmehr von einer klaren, glaubwürdigen Kommunikation und der Entwicklung eines neuen Narrativ abhängt.", und wollte von mir wissen, wie dieses lauten müsste.
Zunächst einmal, ein Narrativ ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit und wird nicht so einfach „erfunden“. Ich denke, wenn wir ein neues Narrativ entwickeln wollen, dann ist zunächst die Grundeinstellung wichtig: Wir alle können und müssen eine positive Vision von unserer Zukunft und unserem gemeinschaftlichen Dasein angesichts der sich verschärfenden Klimasituation entwickeln. Im Großen, wie im ganz Kleinen.
Dabei gilt es das zentrale Thema, nämlich unser zukünftiges „Überleben“ unter den sich wandelnden Gegebenheiten, immer wieder in den Vordergrund zu stellen und mit positiven Geschichten und Bildern der Zukunft zu verknüpfen, wie der Wandel aussehen kann. Der Klimawandel als abstrakte Tatsache muss in emotionalen Geschichten eine reale Form annehmen und mit positiven Bildern einer chancenorientierten Zukunftsvision in Einklang gebracht werden. Verständlich, für jeden begreifbar und immer wieder mit der Aufforderung verbunden, dass sich jeder an dieser Vision der Zukunft und dem Umbau unserer Gesellschaft beteiligen kann.
Das ist im Prinzip das Narrativ auf das wir hinarbeiten müssen: „Du kannst die Veränderung herbeiführen, du bist die Veränderung. Und gemeinsam können wir die Welt verändern.“
Bei der Debatte um die „Verkehrswende“ vermisse ich immer wieder den eigentlichen Kontext. Es wird über die Notwendigkeit der CO2-Reduktion mit und ohne Sektorenzielen diskutiert, über den wirtschaftlichen Schaden des so plötzlichen Verbrenner-Aus und vieles mehr, aber der Fakt, dass der Klimawandel unser sofortiges Handeln verlangt, rückt dabei völlig in den Hintergrund. Und das ist, nach meiner Auffassung, ein großer Fehler.
Darüber hinaus geht es nicht nur um die Verkehrswende, sondern um die komplette Umgestaltung unserer Gesellschaft, denn ohne diese, werden wir den notwendigen Kampf ums Überleben nicht schaffen.
Aber zurück zu den Narrativen mit einem kleinen Beispiel:
Annemarie ist 35 Jahre alt. Sie bringt jeden Morgen ihre inzwischen 14-jährige Tochter Lea zu Fuß zur Schule. Am liebsten würde sie sie ganz fest an der Hand halten, denn vor vier Jahren kam ihre Schwester Sophie bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Es passierte, als die beiden Schwestern mit dem Fahrrad zur Schule fuhren. Ein Autofahrer hielt nicht den Mindestabstand ein und riss die kleine Sophie, die aufgrund einer Unebenheit im Asphalt ins Straucheln kam, mit sich. Sophie starb nach drei Tagen im Koma. Annemarie hat bis heute den Tod ihrer Tochter nicht verwunden, aber sie gründete eine Initiative, die sich für einen Block-Kiez rund um die Schule sowie breite, gesicherte Zubringer-Fahrradwege einsetzte. Sie fand viele Mütter und Väter, die auf keinen Fall ein ähnliches Schicksal erleiden wollten, und gemeinsam setzten sie die geforderten Maßnahmen durch.
Inzwischen sind die Baumaßnahmen fast abgeschlossen. Vor der Schule ist eine Spielstraße mit Hochbeeten, Büschen und Bäumen entstanden und das verkehrsberuhigte Areal reicht bis zu ihrer eigenen Straße. Übermorgen ist die offizielle Eröffnung, aber schon jetzt gibt es kaum noch Verkehr und am Sonntag ist das Areal von 11-17 Uhr für den gesamten Autoverkehr komplett gesperrt. Dann flanieren die Anwohner auf den Straßen, treffen sich zum Yoga, spielen Federball oder veranstalten Flohmärkte und immer mehr machen mit. Annemarie hat in der Nachbarschaft viele neue Freunde gefunden und ist froh, dass sie um Lea nicht mehr so viel Angst haben muss. Zur Schule bringt sie sie eigentlich nur noch, um täglich den Fortschritt der Bauarbeiten zu begutachten. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, dann will sie das nächste starten. Dabei schwebt ihr ein gemeinschaftlicher Anbau von verschiedenen Obst- und Gemüsesorten vor, quasi Selbstversorgung im Block-Kiez.
Menschen lieben Geschichten, weil sie in Bildern denken. Daher müssen wir unsere Visionen von einer besseren Zukunft in Geschichten packen, um damit unser Gegenüber emotional zu erreichen und mitzunehmen in eine neue Welt. Anschaulich, leicht verständlich und pragmatisch.
Wir dürfen nicht müde werden, die Bilder des Klimaschreckens auszumalen und mit menschlichen Schicksalen zu verbinden, denn nur so, wird aus dem Abstrakten eine fassbare Wirklichkeit. Gekoppelt an konkrete Lösungsbilder, werden Zuhörer zu Verbündeten und eine Transformation kann gelingen.
Bei der Entwicklung von Narrativen kommt den Medien sicher eine besondere Bedeutung zu, aber auch jeder Einzelne von uns kann viel bewirken, wenn er seine „Bubble“ verlässt und sich Menschen zuwendet, die vielleicht nicht so im Thema stecken und darauf hoffen, dass alles wieder wird, wie es einmal war.
Die Etablierung eines neuen Narrativs beginnt also „ganz unten“, d.h. außerhalb unserer „Bubble“, und wir täten alle gut daran, wenn wir unser Wissen, unsere Erkenntnisse und unsere Visionen in unser direktes Umfeld tragen, und unsere Nachbarn, Freunde und Bekannte einladen würden, sich mit uns auf eine Visionsreise zu begeben und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Im Idealfall entsteht daraus eine Graswurzelbewegung, aber in jedem Fall eine schöne Geschichte.
„Einfach mal machen“ ☺
#dubistdieVeränderung
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